Wolfson

Michael Wolfson wird am 3.12. 1892 in Lugansk, Krim in Russland geboren. Sein Vater ist Israel David Mendel Wolfson, er ist Buchhalter in Simferopol. Die Mutter, Rebeka ist eine geborene Jechijelewna. Er wächst in Russland auf, absolviert ein achtklassiges Gymnasium, schließt es mit gutem Reifezeugnis ab.

Im Stadtarchiv Braunschweig finden sich für die Jahre 1911-1923 zwölf verschiedene Wohnsitze. Von Russland kommend ist der erste Wohnsitz ab dem 2.11. 1911 in der Göttingstraße 2 eingetragen.

Von 1911-1914 ist er als Student der Architektur an der TH Braunschweig imatrikuliert. Es folgt eine langjährige Tätigkeit als Sprachlehrer. 10 Jahre an der Berlitz-Schule am Ruhfäutchenplatz; als Korrespondenzübersetzer für zahlreiche deutsche Handelsfirmen, sowie als Übersetzer russischer Kurzgeschichten, die in der Braunschweiger Zeitung erscheinen.

Am 13.10. 1927 wird seine Tochter Wera geboren, am 30 11 1929 heiratet er die Mutter des gemeinsamen Kindes Hedwig Wolfson, geb. Starek. Sie kommt aus Wien, ist römisch-katholisch, und wurde in Wien am 28.2. 1901 geboren.

In der Zeit vom 2.7.- 30.6. 1933 ist er Lektor für russische Sprache an der TH Braunschweig , als Nachfolger von Kuno Foelsch.

1933 wird seine Tochter eingeschult und wechselt anschließend in die Mittelschule Heydenstraße. Dort wird ihr aus rassistischen Gründen nach 6 Monaten der Schulbesuch untersagt. Ihre Mutter erreicht durch Eingabe in Berlin beim Kultusminister eine erneute Einschulung, nun allerdings in der Volkschule Maschstraße.

Am 1.8. 1933 wird Michael Wolfson sein Lehrauftrag an der TU entzogen. Ein Ruhegehalt wird nicht bewilligt. In der folgenden Zeit arbeitet er unter anderem als Bürogehilfe, als Kontaktbote in einer Konservenfabrik, 1939 als Kassierer – seine letzte berufliche Tätigkeit ist die als Zwangsverpflichteter zu Straßenbauarbeiten bei der Firma Karl Hansen, Hoch-und Tiefbau, Steintorwall 2.

Seit dem 13.6. 1939 existiert eine polizeiliche Verfügung mit Androhung von Strafe, das Gebiet des Deutschen Reiches zu verlassen. Diese Strafandrohung erstreckt sich auf alle Mitglieder der Familie. Letztlich ist der endgültige Abzugstermin für sie alle der 1.1. 1942.

Das Leben der Familie ist in all den Jahren durch Repressalien stark belastet. Unter anderem wird Hedwig Wolfson aus dem Warenhaus Karl Stöber, Schuhstraße, fristlos entlassen, da ihr Mann Jude ist. Ihre Beschwerde wird mit der Aufforderung beantwortet, sich scheiden zu lassen. Sie leben in ständiger Angst. Verschiedenes wird von ihnen unternommen – erfolglos. Hedwig Wolfson wird auf die Liste der auszuweisenden Juden gesetzt, wogegen sie protestiert. Sie muß ihren Pass abgeben und erhält ihn mit dem zusätzlichen Namen „Sarah“ zurück.

Nach Zeiten der ständigen Bedrohung und Zermürbung nimmt sie letztlich die Entscheidung zur Scheidung an, da sie befürchten muß, dass sie alle drei in verschiedenen Lager transportiert werden. Mit dieser Begründung wird der Scheidungsantrag abgelehnt.

Erst als sie als Scheidungsgrund “ Zerrüttung“ angibt, findet sie statt. Am 14.3. 1942 wird ihre Ehe geschieden.. Das Paar lebt weiter in der gemeinsamen Wohnung.

Im Frühjahr 1943 wird Michael Wolfson ins Judenhaus eingewiesen – weiterhin wird er dort von seiner Frau versorgt.

Am 7.5. 1943 wird er zur Gestapo vorgeladen und dort verhaftet. Es ist der letzte Tag, an dem Mutter und Tochter ihn sehen. Alle Nachforschungen bleiben erfolglos.

Im September 1943 teilt die Gestapo Hedwig Wolfson mit, dass ihr Mann in Auschwitz am 24.8. 1943, um 9h 20′ gestorben ist.

Am 14./15.10. 1944 bekommt ihr Wohnhaus, Neue Strasse 22, einen kompletten Bombenschaden. Mutter und Tochter erhalten Fahrkarten, Braunschweig zu verlassen. Die Mutter verlässt Braunschweig, Wera kommt erst nach Abschluß ihrer mit Auszeichnung absolvierten kaufmännischen Ausbildung nach,

Die Gesundheit der Mutter ist tief erschüttert, sie erleidet einen Nervenzusammenbruch, bekommt Scharlach und Typhus, anschließend, 1946, muß sie sich einer schweren Operation unterziehen.

1947 reicht Hedwig Wolfson einen Antrag an das Landgericht Braunschweig auf Wiederherstellung ihrer zwangsweise geschiedenen Ehe ein. Die Oberstaatsanwaltschaft lehnt den Antrag mit der Begründung ab, dass ein Antrag dieser Art weder aus rassenmäßigen, politischen oder religiösen Gründen gestellt werden kann. Erst über einen langen Weg bekommt sie die erhoffte Entscheidung, über die Landesjustizverwaltung in Hamburg.

Am 21.3. 1957 wird ihre Ehe als rechtswirksam ab dem 3.3. 1942 erklärt, was ihr zwei Wochen vorher das Braunschweiger Landgericht abgelehnt hatte, trotz seit Jahren vorhandener Rechtsgrundlage.

Mutter und Tochter erhalten Renten- und Wiedergutmachungsleistungen nach dem Bundesentschädigungsgesetz.

Hedwig überlebt ihren mit 51 Jahren in Auschwitz ermordeten Mann Michael um 28 Jahre.

Sie selbst stirbt am 26.6. 1971.

Recherche: Prof. Dr. Michael Wettern – Technische Universität Braunschweig – 2008