Nellie Hortense Friedrichs, geb. Bruell entstammte der jüdischen Familie Herxheim. Sie wurde am 3. 9. 1908 in Lyon, Frankreich geboren.
Nach der Ehescheidung ihrer Eltern zog Nellie mit ihrer Mutter im Jahr 1912 nach Braunschweig zu ihrer Großmutter mütterlicherseits, Auguste Herxheimer.
Sie wohnten zusammen in einem Haus. Wilhelm-Bode-Straße 11.
Ab 1915 besuchte Nellie die Mädchenschule Kleine Burg und beendete dort ihre Schulzeit im Februar 1928 mit dem Abitur.
In ihrem Buch „Erinnerungen aus meinem Leben in Braunschweig“ bezeichnet sie die Stadt Braunschweig als ihren Heimatort, obwohl es nicht ihr Geburtsort war.
Nellie und ihre Mutter besaßen die französische Staatsbürgerschaft, was in der Zeit des Ersten Weltkrieges dazu führte, dass beide als „feindliche Ausländer“ bezeichnet wurden.
Im Herbst 1928 immatrikulierte sich Nellie an der Technischen Hochschule Braunschweig für den neu eingeführten Studiengang zur Volksschullehrerin.
Sie beendete ihr Studium zu Beginn des Jahres 1932 mit Diplomabschluss. Daraufhin wurde sie bei ihrem ehemaligen Dozenten, dem Soziologen
Theodor Geiger, Doktorandin.
Anfang Februar 1933 lernte Nellie den Mathematiker Kurt Friedrichs kennen,
der mit 29 Jahren zum ordentlichen Professor der TH Braunschweig ernannt worden war; er war damit der jüngste Professor der TH.
Kurt Friedrichs war ev.-luth. Christ. Das Paar verlobte sich knapp ein Jahr später.
Im Freistaat Braunschweig waren bereits seit 1930 die Nationalsozialisten an der Regierung beteiligt. In dem Zuge begann in Braunschweig die Verfolgung und Ausgrenzung von Jüd*innen bereits vor der Machtübernahme Hitlers und führte zu Repressionen.
Nellie und Kurt spürten dies besonders, da u.a. Juden und Jüdinnen im Bildungsbereich Berufsverboten oder Abberufungen ausgesetzt waren.
Auch die Doktorväter der beiden waren betroffen und verließen
Deutschland.
Trotz aller Gefahren unterstützen die Familie Friedrichs sowie Freunde die Beziehung von Nellie und Kurt. Mit der Verabschiedung der „Nürnberger Rassegesetze“ 1935 galt die Verlobung der Beiden in Nazi-Deutschland nun als illegal.
Das Paar plante seither die Flucht aus Deutschland. Um das Gefährdungspotential klein zu halten, entschlossen sie sich, über getrennte Wege ins Ausland zu fliehen. Sie wollten sich dann in den USA wiedertreffen.
Mit Hilfe von Freunden aus Braunschweig planten die Verlobten ihre Fluchtwege. Nellie besaß noch einen Reisepass , da sie ja Französin war und konnte so ins Ausland reisen. In Nazi-Deutschland waren den meisten Jüd*innen bereits die Pässe entzogen worden.
Kurt wurde die Ausreise mehrfach verwehrt. Sein Ausweg war eine seiner Schwestern, die in Paris lebte. Durch eine fingierte Einladung gelang es dem Bruder, nach Frankreich auszureisen. Dort angekommen, sandte er per Postkarte eine abgesprochene Nachricht an Nellie, die umgehend nach Frankreich ausreiste.
Kurt war zu der Zeit bereits auf einem Schiff mit dem Ziel USA.
Als französische Staatsangehörige hatte Nellie keinerlei Probleme, alle für ihre Ausreise in die USA notwendigen Papiere zu erhalten.
Am 4. Juni 1937 bestieg sie ein Schiff Richtung USA, wo sie am 11. Juni ankam.
Das Paar heiratete am 11. August 1937 in den USA.
Gemeinsam hatten sie fünf Kinder und sieben Enkelkinder.
1952 kehrte das Ehepaar Friedrichs zum ersten Mal seit seiner Flucht 1937
nach Braunschweig zurück. Zahlreiche weitere Besuche sowie literarische Erinnerungen zeugen von ihrer engen Verbundenheit mit Braunschweig.
Nellie Friedrichs starb 1994 in New Rochelle, New York.
Für ihre Verdienste um die Annäherung nach der Schoa zwischen nichtjüdischen Deutschen und Jüd*innen wurde Nellie H. Friedrichs am 8. Dezember 1989 die Bürgermedaille der Stadt Braunschweig verliehen.
Im Braunschweiger Stadtteil Broitzem wurde die Nellie-Friedrichs-Straße nach ihr benannt.
Zu ihrem 100. Geburtstag fand in Braunschweig 2008 ein Ehrensymposium unter dem Thema
«Jüdisches Leben und akademisches Milieu in Braunschweig» statt, bei dem die gesellschaftlichen und universitären Bindungen des Paares im Mittelpunkt der Beiträge standen.
Biografie mit Fotos als PDF-Datei
Recherche: Die Falken, Kreisverband Braunschweig, 2024-2025 ,
begleitender Bildungsreferent Maik Bischoff.
Anfrage des Enkels von Ella Bruell, Prof. Christopher Friedrichs, Vancouver