Erlanger, Philipp Jacob, Lucie und Ralph

Philipp Jacob Erlanger wurde am 31. März 1870 in Frankfurt am Main geboren
und  starb am 20. April 1934 in Braunschweig.
Eheschließung  am 14.4.1914 in Braunschweig. mit Lucie Bielschowsky,
geb. 15. März 1886 in Ratibor.
Geburt ihres Sohnes Ralph Hermann, am 27.7. 1920
in Braunschweig.

Seine Eltern waren Raphael Erlanger (1832-1907) und Amalie, geborene Gross, 1846-1894)

Philipp Jacob Erlanger verbrachte bereits als Kind , in Frankfurt am Main aufgewachsen,  viel Zeit im dortigen Zoologischen Garten, die seine Zuneigung zu Tieren förderte,  sodass er sie bereits in kleinen Bildern und Wachsplastiken festhielt.

Ausschließlich  Philipps Mutter unterstützte seinen Wunsch, Künstler zu werden und ermutigte ihn, seine Fähigkeiten weiterzuentwickeln. Sein Vater hingegen verlangte, dass er zunächst einen kaufmännischen Beruf lernen sollte.

Nach dem Abschluss seiner Schullaufbahn am Frankfurter Philanthropin (heute: Privatschule der Jüdischen Gemeinde Frankfurt am Main) sollte Erlanger zunächst eine kaufmännische Ausbildung absolvieren.
Erlanger trat anschließend im Jahr 1890/91 den Militärdienst im zweiten Badischen Dragoner-Regiment in Bruchsal an.
Im dortigen Umgang mit den Pferden baute Erlanger eine Verbindung zu den Tieren auf, die später auch dazu beitrug, dass Pferde als Motive für sein künstlerisches  Schaffen dienten.
Trotz seiner „vollen Einsetzung und Liebe zum Dienst“ habe  Erlanger es nur in den militärischen Rang eines Unteroffiziers geschafft, da jüdische Personen zu dieser Zeit „im Militair nicht befördert wurden.“

Erst nach dem Militärdienst und der Unterstützung des bekannten Malers Staffeck, der die Arbeit Erlangers für eine weitere Ausbildung als wertvoll genug anerkannte, schlug Philipp Erlanger die Laufbahn eines Künstlers ein.
Wie aus einem  Zeitungsartikel aus dem Jahr 1930 anlässlich Philipps 60. Geburtstags hervorgeht,  sei es sein Vater gewesen,
der den Maler Staffeck auf einer Reise traf und ihm die  Bilder seines Sohnes zeigte, sodass Philipp doch Künstler werden konnte.

Nach dem Militärdienst wirkte Erlanger mehrere Jahre in München, hatte längere Aufenthalte in Dachau, Braunschweig und der Lüneburger Heide, zog dann nach Breslau und unternahm in dieser Zeit Studienreisen in die Schweiz, nach Italien und Frankreich und studierte einige Monate in Paris. In diese Zeit fallen auch einige größere Ausstellungen in Berlin (1901), Düsseldorf (1902) und München (1908), wo er Tier- und Landschaftsbilder ausstellte sowie Plastiken (Tiere und menschliche Figuren).

Im Jahr 1914 plante Erlanger anlässlich seiner Hochzeit nur einen vorübergehenden Aufenthalt in Braunschweig, jedoch wurde er durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs daran gehindert, Braunschweig wieder zu verlassen und verweilte nun dauerhaft hier. Die Verbindung nach Braunschweig stellte seine Schwester Josephine Helene (1871-1958) her, die mit dem Nervenarzt Siegfried Loewenthal (1869-1951) verheiratet war.
Am 14. April 1914 heirateten Philipp Erlanger und
Lucie Bielschowsky, geb. 15. März 1886 in Ratibor.
Am 27. Juli 1920 wurde ihr Sohn Ralph Hermann
in Braunschweig geboren.

Lucie wohnte laut Heiratsurkunde zum Zeitpunkt der Hochzeit
in der Wolfenbütteler Straße 26a, Philipp nach wie vor in Breslau. 1914 zogen sie gemeinsam nach Querum.  Ab 1920 wohnte die Familie in Gliesmarode, damals beides noch Vororte Braunschweigs.
Schließlich zogen sie dann am 15. November 1927 in die Petristraße 25.

Braunschweig wurde zur dauerhaften Wirkungsstätte Erlangers und auch hier erwarb er sich die Anerkennung der Öffentlichkeit und seiner Kollegen.
Seine Ausstellungen riefen immer Aufmerksamkeit und Interesse hervor und manchmal erbrachten sie auch finanziellen Erfolg.

Das Städtische Museum Braunschweig kaufte verschiedene Werke, Bilder und Plastiken an und die Stadt Braunschweig hat ein Ölgemälde zur Verschönerung des Rathauses erworben.
Auch wenn sich Philipp in Braunschweig nicht so umfangreich künstlerisch betätigen konnte wie in Breslau, wo er ein großes Schulgebäude mit Plastiken ausstattete, war er gern in dieser Stadt.
Bis Januar 1933 wurden seine Werke vom Städtischen Museum ausgestellt und aufgekauft, anschließend war Philipp Erlanger wegen seiner jüdischen Herkunft von  einem Ausstellungsverbot der Nationalsozialisten betroffen.

Auch die Tafel für alle 18 jüdischen Gefallenen des Ersten Weltkriegs an der Friedhofskapelle des Braunschweiger Hauptfriedhofs ist ein Werk Erlangers.
Die Tafel ist eine Kopie jener, die in der Eingangshalle der Synagoge in der Knochenhauerstraße angebracht war.
Diese wurde dort am 09. November 1938 von SA-Männern zerstört.
Die schlichte Tafel aus Elmkalkstein auf dem Friedhof erregte am 9. bzw. 10. November
keine Aufmerksamkeit und bleib unbeschadet.

Philipp Erlanger erlag am Vormittag des 20. April 1934 einem Herzleiden.

Lucie Bielschowsky
war die Tochter von Isidor Bielschowsky, einem Kaufmann, der 1845 in Polen geboren wurde und 1921 in Breslau starb, und Anna Bielschowsky,
1852 geboren und gestorben am 28. Januar 1906 in Breslau.
Lucie war Büroangestellte, Verkäuferin und Hausfrau.
Am 14. April 1914 heiratete sie in Braunschweig Philipp Erlanger.
Am 1. Juni 1937 emigriert Lucie in die USA, Cveland, Ohio.

Sandra Erlanger, die Enkelin, berichtet davon, dass Lucie in der Lage dazu war, einige Möbel und mehrere Gemälde und Skulpturen in die USA mitzunehmen.
Diese Gegenstände befinden sich auch heute noch in Familienbesitz.  In Cleveland lebte sie einige Jahre gemeinsam mit ihrem Sohn Ralph, bis dieser 1943 in die US Army eintrat.

Sie konnte ihr Leben vor den Nationalsozialisten retten, während ihre Schwester Grete,
ihre Schwester Paula und ihr Bruder Max in Auschwitz ermordet worden sind.
Ihr Bruder, der Soldat Erich, starb nach 1918 an Verletzungen und Krankheit, ihre Schwester Rosa wanderte bereits um 1900 in die USA aus, ebenso wie ihr Bruder Siegmund, der 1902 in die USA auswanderte.

Die familiäre Beziehung zwischen Ralphs später gegründeter Familie und seiner Mutter Lucie war in den USA sehr eng.
Ralphs Tochter Sandra hat noch manche schöne Erinnerungen an Besuche ihrer Großmutter und Ralph kümmerte sich liebevoll um sie, auch nach ihrem Umzug in eine Seniorenresidenz in Cleveland.

Als in der in New York erschienenen Zeitung „Der Aufbau / Aufbau 63“ eine Annonce  der Stadt Braunschweig erschien, reagierte Lucie Erlanger mit einem Brief am 28. Januar 1963 als eine der ersten auf diese. Die in dieser Annonce erklärte Absicht, ein Gedenkbuch der vor der NS-Zeit in Braunschweig lebenden Juden herauszugeben, empfand sie als „vorbildlich“ und wünschte, dass „andere Städte diesem Beispiel  folgen würden“, weil somit „das Andenken an manche hervorragende Mitbürger jüd. [ischen] Glaubens, die für ihre damalige Umgebung und die Mitwelt viel geschaffen haben, erhalten bleiben.“
Im Brief nannte sie anschließend knapp die biografischen Daten ihres Mannes Philipp und anschließend die nächsten Verwandten und Bekannten aus Braunschweig.  Zu ihrem Braunschweiger Freundeskreis zählten z.B. einige Fachärzte, Künstler und angesehene Kaufleute.
Abschließend regte sie zur wiederholten Veröffentlichung der Annonce an, um möglichst noch mehr Personen zu erreichen und wünschte über die Entwicklung und  Ausführung des geplanten Gedenkbuches gelegentlich informiert zu werden.

Leider erlebte Lucie die Veröffentlichung des Gedenkbuches nicht mehr,
Sie starb am 2. Juli 1964 in Cleveland, Ohio.

Jedoch führte ihr Sohn Ralph die Korrespondenz weiter und füllte den zugesandten Fragebogen bereitwillig aus, wobei er anhaltendes Interesse an seiner alten  Heimatstadt Braunschweig bekundete, mit der er gelegentlich über den Schriftsteller und Dichter Ernst Bergfeld in Kontakt stand.
Lucie und Ralph waren somit an der Entstehung der „Brunsvicensia Judaica“ beteiligt, die auch noch heute eine Grundlage für die Stolperstein-Recherchen darstellt.

Ralph Hermann Erlanger wurde am 27. Juli 1920 in Braunschweig geboren.  Über seine Kindheit und Jugend in Braunschweig konnten nur wenige Erkenntnisse gewonnen werden, die aus Erinnerungen seiner Tochter Sandra stammen.
Er war (Haus-)Tieren  zugeneigt; er hatte einen Wellensittich namens „Pukchen“ und trug den Spitznamen „Katzenfreund“.
Auch soll Radfahren sein Hobby gewesen sein. Längere Radtouren sollen ihn sogar bis nach Dänemark und Schweden geführt haben.

Am 31. Januar 1935 emigrierte Ralph in die USA.
Dort lebte  er zunächst kurz in Canton, Ohio, und anschließend drei Jahre im Stadtteil Jamaica in New York, der im Stadtbezirk Queens liegt (1935-1938).
Dort erwarb Ralph an der Jamaica High School seinen Schulabschluss.

Von 1938 bis 1953 lebte er in Cleveland, Ohio, und anschließend in Northfield Center, einem Vorort von Cleveland.  In den ersten Jahren  in den USA war er nicht ganz auf sich allein gestellt, sondern lebte mit Cousinen und Cousins zusammen.

Von 1943 bis 1946 diente Ralph in der US Army. Im Zuge seines Militärdienstes kehrte Ralph in den Jahren 1945/1946 nach Deutschland zurück, wo er in Darmstadt  stationiert gewesen sein muss. In der US Army war Ralph in einem „Counter Intelligence Corps“, einem Nachrichtendienst der Armee der Vereinigten Staaten, der als polizeiähnliche Spionage-Abwehrabteilung gegründet wurde.

Aus einem Brief Ernst Bergfelds an Lucie geht hervor, dass Ralph um den 28. April 1946  zu einem kurzen Besuch in Braunschweig war, um seine Heimatstadt und alte Freunde wiederzusehen.
Laut seiner Tochter Sandra sprach Ralph über seine Erfahrungen im Militärdienst nicht.
Nach seiner Zeit als Soldat kehrte Ralph nicht mehr nach Deutschland zurück.

In den USA heiratete Ralph 1952 eine aus Frankfurt stammenden Deutsche,
Susi geb. Strauss, die 1940 nach Ohio kam.  Gemeinsam bekamen sie zwei Kinder.
Philipp geboren am 26.08.1955 und
Sandra
 geboren am 26.11.1956.

Ralph war Maschinenbau-Ingenieur und arbeitete in einem flugtechnischen Betrieb.
Ralphs Tochter Sandra erinnert sich daran, dass die deutsche Herkunft einen großen Raum im Familienleben einnahm und Ralph weiterhin stolz darauf war, Deutscher zu sein.
Ganz anders geartet war Susis Sichtweise.
Sie verlor ihre Eltern in Konzentrationslagern (Auschwitz und Theresienstadt), sodass sie Ralphs Verbundenheit zu Deutschland nicht teilte.
Stolpersteine für Susis Eltern, Babette (1888-1943, geb. Vorchheimer) und Robert Strauss (1875-1942) wurden bereits in Frankfurt verlegt.

Ralph starb am 04. November 1984 in Northfield, Ohio.
Etwa einen Monat nach der Hochzeit seiner Tochter Sandra,
die die Planung der Hochzeit so anlegte, dass er daran teilnehmen konnte, denn er war zu dieser Zeit bereits sehr krank.

In den Quellen waren keine Hinweise auf Verfolgung oder Bedrohung der Familie auffindbar.  Auch Sandra Erlanger, Ralphs Tochter, kann von keinen konkreten Ereignissen berichten. Sie nimmt an, dass sich Lucie und Ralph verfolgt und bedroht gefühlt haben und deshalb emigrierten. Ihr sind auch keine Gründe dafür bekannt, dass beide zu unterschiedlichen Zeitpunkten emigrierten.
Jedoch sprach Ralph mit seinen Kindern auch kaum über seine Erlebnisse in Braunschweig bzw. später in der US Army.
Es scheint daher möglich, dass es Vorfälle gab, jedoch sind diese auf dem gegenwärtigen Erkenntnisstand nicht zu rekonstruieren.

Wir danken Mark Opalka (Stadtarchiv Braunschweig) für seine Unterstützung. Ohne  ihn hätten wir wichtige Quellen zur Familiengeschichte nicht finden können.
Zudem danken wir Sandra Erlanger, Ralph Erlangers Tochter, für ihre Offenheit und  Bereitschaft, viele Informationen ihrer Familiengeschichte mit uns zu teilen.
Mit ihrer Hilfe konnte das Wissen über die Familie auf eine neue Grundlage gestellt werden, die weit über die Erkenntnisse aus den schriftlichen Quellen hinausgeht. Insbesondere die Fotografien haben dazu beigetragen, die recherchierten Personen auch visuell erfahrbar zu machen.
Sandra Erlanger lebt heute in Solon, Ohio.
Sie hat eine Tochter Sarah und einen Sohn Ben.
Ihr Bruder Philipp hat zwei Töchter, Julia und Amelia.

Philipp Erlanger (Teil 1) gesprochen von Elias
Phillip Erlanger (Teil 2) gesprochen von Juli
Ralph Erlanger gesprochen von Jonte
Lucie Bielschowsky

Recherche: Schülerinnen und Schüler des Wahlpflichtkurses des 10. Jahrganges
der IGS Heidberg, 2023-2024,  in Begleitung ihres Lehrers Robin Konrad

Lucie, Ralph und Philipp

Lucie und Ralph

Ralph