Irmgard Plättner

Irmgard Ella Gertrud Plättner, geb. Kasten  wurde am 7. Januar 1921 als einziges Kind
von Willi Kurt (1901-1973) und Marie Antonie Auguste Kasten, geb. Hildebrandt (1902-1967)
im Haus Geiershagen 1 in Braunschweig geboren.

Sie wuchs im Arbeitermilieu der Braunschweiger Neustadt auf. 1935 ließen sich ihre Eltern scheiden. 1936 wurde Irmgard als 15-Jährige schwanger und zu einem Fall für die (christliche) Fürsorge.
Die Begründung der Behörde für die Fürsorgeerziehung lautete, dass sie sich „ständig herumtrieb, häufig die Arbeitsstellen wechselte, Diebstähle ausführte usw.
“ Daher sei „aufgrund ihrer labilen Haltung und der […] ungünstigen häuslichen Verhältnisse der Eltern […] mit einer Besserung des Verhaltens […] nicht zu rechnen“.

Im April 1937 wurde sie im Mütter- und Säuglingsheim des Deutsch-Evangelischen Frauenbundes in Hannover Mutter eines Kindes, welches jedoch bereits sechs Wochen nach der Geburt in eine Pflegefamilie gegeben wurde.
Irmgard lebte nach ihrer Rückkehr nach Braunschweig im Februar 1938 mit gerade einmal 17 Jahren fortan allein.

Am 6. März 1942 heiratete sie Hermann Plättner, mit dessen Familie sie schon seit einiger Zeit auf dem Werder 23 lebte.
Während ihr Mann als Soldat am Krieg gegen die Sowjetunion teilnahm, wurde Irmgard Plättner am 2. April 1942 erstmals von der Gestapo in Braunschweig verhaftet, da sie sich weigerte im Rahmen einer Dienstverpflichtung in der Braunschweiger Rüstungsindustrie zu arbeiten.
Sie wird vom Amtsgericht Braunschweig zu 3 Monaten Haft verurteilt.

Nach ihrer Entlassung aus der Haft wurde sie am 7. März 1944 erneut durch die Gestapo verhaftet.   Der Vorwurf lautete diesmal „Arbeitsbummelei“.
Sie kam anschließend in das Arbeitserziehungslager Watenstedt-Hallendorf bei Salzgitter.
Dort infizierte sie sich mit der Syphilis und wurde etwa im Mai 1944
in das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück überführt.

Ihr Gesundheitszustand war bei der Einlieferung ins Konzentrationslager bereits sehr schlecht. Die meiste Zeit verbrachte sie im Krankenrevier des Lagers, leidend an Syphilis und Typhus. Eine mögliche Entlassung aus dem Lager scheiterte nur kurz vor dem vorgesehenen Datum aufgrund ihres sich verschlechternden Gesundheitszustandes.
Laut Zeugenaussagen sollte sie kurze Zeit später in der Gaskammer in Ravensbrück getötet werden. Eine Mitgefangene versteckte sie daraufhin und bewahrte sie vor diesem Schicksal.

Nur wenige Tage später, Ende Februar 1945, starb Irmgard Plättner im Alter von 24 Jahren an den Folgen ihrer Erkrankungen und der Unterversorgung im Konzentrationslager Ravensbrück.

Nachdem ihr Ehemann im Oktober 1949 aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft entlassen wurde und nach Braunschweig zurückkehrt, erfährt er vom Schicksal seiner Ehefrau und wendet sich an die Polizei die daraufhin Ermittlungen zum Tod Irmgard Plättners aufnehmen.

Nach Zeugenbefragungen zweier Mithäftlinge Irmgard Plättners im Konzentrationslager stellt Hermann Plättner einen Antrag auf „ererbte Haftentschädigung“, da er seine Frau als politisch Verfolgte ansah.
‚Dieser Antrag wird vom Sonderhilfsausschuss Braunschweig zurückgewiesen, da Irmgard Plättner nach Ansicht des Ausschusses nicht „aus politischen Gründen, als vielmehr wegen ausgesprochener Arbeitsverweigerung und Arbeitsbummelei […] verhaftet worden ist […]
Auch ist nicht ersichtlich, dass besondere nationalsozialistischen Maßnahmen zu ihrer Verhaftung geführt hätten. […] Sie kann daher auch nicht als Verfolgte nach dem Gesetze anerkannt werden.“

Irmgard Plättner gehörte zu jenen Verfolgten, die als sog. „Asoziale“ Opfer der NS-Verfolgung wurden.
Erst 2020 verabschiedete der Bundestag eine Resolution, die diese Verfolgten als Opfer des Nationalsozialismus anerkannte und sie damit anderen Verfolgten des Regimes gleichstellte.

Recherche:  2019-2020 Daniel Haberlah

Umfassendere Informationen über das Leben und die Verfolgung Irmgard Plättners sowie das Schicksal aus sozialen Gründen verfolgter Menschen sind in der folgenden Publikation, die auch in der Gedenkstätte Schillstraße hinterlegt ist, zu finden:
>> Daniel Haberlah: Als »Asoziale« nach Ravensbrück.
Das kurze Leben der Irmgard Plättner. Eine Spurensuche. Schellerten 2021.<<