Marga Rittner

Familie Rittner

Marga Rittner wird 29.01.1927 in Braunschweig geboren und besucht vermutlich eine Regelschule. Nach der Pogromnacht wird ein Gesetz (15.11. 1938) erlassen, dass den Juden verbietet „deutsche“ Schulen zu besuchen. Dies trifft auch Marga.

Marga wird als sie 12 Jahre alt ist, von ihren Eltern auf die jüdische Gartenbauschule Ahlem bei Hannover geschickt. Sie lebt in dem Internat von 1939 bis 1941. Hier soll sie auf die Auswanderung nach Palästina vorbereitet werden. Dazu kommt es leider nicht.
Am 3. und 4. September 1941 kommt es durch die „Aktion Lauterbacher“ zur Gettoisierung der Hannoveraner Juden und auf dem Gelände der Gartenbauschule wird ein Judenhaus eingerichtet.
Vom Dezember 1941 bis Januar 1944 verlassen acht Transporte mit insgesamt rund 2200 jüdischen Kindern, Frauen und Männern Hannover in Richtung der östlichen Konzentrations- und Vernichtungslager.
Unklar ist, ob Marga bei diesen Transporten dabei ist oder ob sie zurück zu ihren Eltern nach Braunschweig gelangt.
Eine Quelle spricht davon, dass die „Familie1942 oder 1943 beim Abtransport von „Nichtariern“ gesichtet wurde.
In diesem Fall erleidet sie vermutlich das gleiche Schicksal wie ihre Eltern,
die am 31.03.1942 von Braunschweig aus in das Getto nach Warschau transportiert werden.
Am 08.12.1958 wird ihr Todestag auf den 31.12.1945 festgelegt.

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Brief an Marga Rittner                       von Maria Aileen Grabenhorst

 

Liebe Marga,

Ich heiße Aileen und recherchiere über dein leider nicht all zu langes Leben
und dein trauriges und grauenhaftes Schicksal.

Du bist in Braunschweig am 29.01.1927 geboren, in einem Monat wäre dein  93. Geburtstag.
Aber dein Leben ist nicht so lang. Wenig  konnte ich darüber herausfinden.
Welche Spuren hinterlässt schon eine 14-Jährige?

Ich kann daher nur Fragen. Auch wenn die Antworten spärlich sind.
Ich frage mich, ob du dein Leben vor der Übernahme der Nazis von Deutschland genossen hast.   Wie waren deine Eltern zu dir?     Hattest du Hobbys?
Auf welche Grundschule bist du gegangen?

Du kommst 1939, als du 12 Jahre alt bist, auf die Israelische Gartenbauschule nach Ahlem bei Hannover. Das weiß ich.
In welche Fachrichtung du da gegangen bist, ist mir bis heute unbekannt.
Hast du da überhaupt eine Fachrichtung eingeschlagen?

Diese Gartenbauschule bereitete jüdische Menschen auf die Auswanderung aus Deutschland vor.
Sie wurde 1941 geschlossen. Das heißt, dass du drei Jahre dort warst.

Sie wurde nicht einfach geschlossen. Sie wird von den Nationalsozialisten verboten. Und in ein sogenanntes „Judenhaus“ umgewandelt.
Von dort gehen dann die Transporte in den Osten.

In den Tod.

Ob du zuerst nach Braunschweig 1941 zurückkommst, hier im sogenannten „Judenhaus“ wohnen musst, und dann mit deinen Eltern ins Warschauer Getto deportiert wirst oder direkt aus Hannover verschleppt wirst, weiß ich nicht genau.

Mir ist auch unklar, warum du überhaupt abtransportiert wurdest.

Natürlich ist mir bewusst, dass die sogenannte „Endlösung der Judenfrage“ daran schuld war. So nannten die Nazis den staatlich organisierten Mord aus rassistischen Motiven.

Ich meine, wenn sie in dieser Gartenbauschule auf die Auswanderung, also ich möchte es lieber Flucht nennen, vorbereitet haben, warum haben sie dich nicht fliehen lassen?
Warum konntest du nicht gerettet werden?

Ich kann mir nicht mal annähernd vorstellen, wie schwer es für dich gewesen sein muss, diesen Kampf um dein Überleben zu führen.
Ich bin mir sicher:   Immer, wenn die Bedrohung da war, wenn du das Sterben gesehen hast, dann wolltest du einfach wieder nach Hause, in den Marstall 1- 2.
Da bist du geboren, da hast du doch gewohnt.

Am 31.03.1942 um 20:05 Uhr fährt ein Zug mit Juden aus Braunschweig nach Warschau in Ghetto.
Mit in diesem Zug waren deine Eltern.
Der gleiche Zug fuhr um 18:15 in Hannover los.
Es hätte also sein können, dass du in Hannover in den Zug gebracht worden bist.

Ob du nun mit deinem Elter zusammen in Braunschweig in den Zug gezwängt wurdest oder schon vorher in Hannover, weiß ich nicht.

Ich kann mir nicht vorstellen wie viel Leid diese Verfolgung nicht nur dir, deinen Eltern und deiner Schwester Eva sondern allen Juden in Deutschland, Europa und der Welt gebracht hat.

Liebe Marga:  Warum nur bist du gestorben?
Erst 1958 wurdest du für tot erklärt. So lange hatte deine Schwester vielleicht noch Hoffnung.
Für die Bürokratie bist du am 31.12.45 gestorben.
Wann es für dich wirklich zu Ende war, weiß niemand.

Es ist schlimm, wie viel Ungerechtigkeit in Deutschland herrschte.
Zu deiner Lebenszeit.

Und noch immer -heute – auf der Welt.
Genau deswegen wollte ich mehr über dich herausfinden.

Das Leiden, die Schmerzen, die du erlitten hast, sollten niemals vergessen werden.

Ich- wir tragen Verantwortung dafür zu sorgen, dass das auch so bleibt.

Ruhe in Frieden.

Deine Maria Aileen Grabenhorst

Recherche 2019 Schülerinnen und Schüler der IGSFF Braunschweig
begleitender Lehrer: Jens Siebert