Wolfsdorf

Felix Fischel und Margarete Wolfsdorf

Felix Wolfsdorf wird am 18.3. 1890 als  Sohn des Brachi Wolfsdorf ( geb. 1857) und der Shai–Sury Wolfsdorf, geborene Sasnowitz (geb. 1860) in Warschau geboren, seine Staatsangehörigkeit ist russisch.  Seine Eltern geben ihm den Vornamen „ Fischel“, weil er im Sternzeichen der  Fische geboren ist. Wir haben in den Unterlagen vier verschiedene Namen für Wolfsdorf gefunden.

Er wächst in Warschau auf und besucht die Volksschule, danach macht er die Ausbildung zum Schäftemacher.  Vor Ausbruch des ersten Weltkrieges dient er in Petersburg im russischen Heer. In Folge des 1. WK wird er Kriegsgefangener und kommt in ein Lager bei Holzminden. Auf dem Landübungsplatz des Militärs am Sollingrand bei Holzminden wird kurz nach Beginn des Ersten Weltkriegs ein Internierungslager für zivile Gefangene und Geiseln eingerichtet. Mehrere tausend Menschen werden dort von Landsturm-Soldaten bewacht, hausen unter schlimmen Bedingungen. Sie leben in über 100 Baracken, umgeben von einem zwei Meter hohen Stacheldrahtzaun. Französische und russische Kriegsgefangene werden als Arbeiter in der Landwirtschaft eingesetzt. (Holzmindener Zeitung, 2014 )

Er meldet sich in Braunschweig an. Am 5.10. 1918 schreibt die herzögliche Polizeidirektion an Felix Wolfsdorf in der Sophienstrasse 9, er solle ein Gewerbe anmelden, da er entlassener Zivilgefangener sei.
Am 5. Mai 1922 ändert sich sein Name endgültig in Wolfsdorf. Es gibt eine erneute Gewerbeanmeldung.

Beim Aufgebot seiner Heirat am 31.Dezember 1923 gibt er in der Urkunde an, dass er mosaischen Glaubens ist, also Jude.
Nach der standesamtlichen Heirat am 11. März 1924 nimmt er die 1920 unehelich geborene Tochter von Margarete, Elfriede, an Kindes statt an. Die Eheleute wohnen bis zum Umzug in die Echternstrasse bei den Eltern von Margarete in der Kreuzstrasse 82.

Felix Wolfsdorf  ist von Beruf Schäftemacher (Anfertigung von Schuhoberteilen)
Am 1.4.1929  eröffnet  er eine Lederwarenhandlung in der Casparistrasse 11 mit einem Betriebskapital von 3000  Reichsmark, 1930 ist er selbstständiger Schäftemacher in der Echternstrasse 61, eine damals ärmliche Gegend am Umflutgraben der Oker.

Margarete und Felix schränken sich auch für die Tochter Elfriede sehr ein. Nach Aussagen des Enkelsohnes habe seine Mutter davon erzählt, wie sie als 11 jährige, also 1931,  beschmierte Schaukästen gesehen hat mit den Worten „ Juden  raus“. Als die Nürnberger Gesetze 1935 den Alltag der deutschen Juden total einschränken, bleiben die Kunden weg.  Die Lebenssituation der beiden Eheleute verschärft sich. Aus dem Geschäft wird  nur noch ein kleines Verkaufszimmer in der Echternstrasse.

Am 6.12. 1938 wird er verhaftet und in Folge der sogenannten Polenaktion Anfang 1939 nach Polen ausgewiesen. Er kommt bis Warschau und erlebt die Einnahme der Stadt. Seine Frau schreibt: „Er wurde dann aber nach Einblick seines Passes sofort von deutschen Offizieren nach Braunschweig zurückgeschickt.  Im Oktober 1939 war mein Mann wieder in Braunschweig. Bei der polizeilichen Anmeldung wollte man ihn sofort in ein Lager bringen. Ich protestierte, weil mein Mann sich doch nichts zu Schulden kommen lassen hatte.“
Er muss sich bei der Passabteilung im Polizeigebäude in der Münzstrasse anmelden und regelmäßig in der Gestapozentrale vorsprechen.

Ab 1940 durfte er nicht mehr mit seiner Familie zusammenleben und lebte jetzt bei seiner Schwiegermutter in der Wallstrasse 23a.
Im selben Jahr  wird er zur Zwangsarbeit bei der Firma Steinsetzer  Hähnsen  am Cyriaksring herangezogen und muss dort mit anderen Juden  schwerste Arbeiten verrichten. Im März 1941, so berichtet Herr Blondzik, der Enkelsohn von Margarete, verletzt er sich am Arm und wird von einem jüdischen Arzt aus der Wendenstrasse krankgeschrieben.

Seine Frau gibt später bei der Entschädigungsverhandlung zu Protokoll: „ Als er sich im März, an einem Donnerstag, morgens um acht, wieder einmal bei der Gestapo melden musste, kam er nicht wieder nach Hause. Als ich mich nach ihm erkundigte, sagte man mir, ich könnte ganz beruhigt sein, er käme in etwa drei Wochen wieder zurück“.

Die Wirklichkeit sah anders aus: Die Gestapo verfrachtet ihn nach dem Motto „weg mit kranken und arbeitsscheuem Gesindel “ in das für seine Grausamkeit bekannte Sonderlager 21 bei SZ Hallendorf. Herr Blondzik erzählt, dass Felix Wolfsdorf große Angst vor Hunden gehabt hat. Dies sei auch der Gestapo bekannt gewesen. Es kann gut sein, dass man dort Wachhunde auf ihn gehetzt hat.

Am 18. März 1941 zeigt der wahrscheinlich im Lager arbeitende Kraftfahrer  Wilhelm Howald (Name nicht richtig entziffert!!) ordentlich und nach Vorschrift beim Standesamt Watenstedt den Tod von Felix Wolfsdorf  drei Tage vorher, am 15. 3., an. Die Todesursache: Herzschwäche. Seine Frau Margarete und die Enkeltocher Elfriede sagen später, er sei am Herzen kerngesund gewesen. Seine Schwägerin  berichtet: Er habe einen Schreckensausdruck im Gesicht gehabt.

 

Margarete Wolfsdorf, geb. Pramme
In der Braunschweiger Judaica finden wir, wir haben es vorhin gehört, nur den kurzen Satz: über Margarete ist nichts weiter bekannt.  Warum?   Sie ist Christin.

Margarete wird am 29.7.1894 geboren. 1913 geht sie für ein Dreivierteljahr nach München, wahrscheinlich als Hausgehilfin. Sie kehrt dann nach Braunschweig zurück und lernt 1916 Fischel Felix Wolfsdorf  kennen. 1919 und 1920 ist sie zur Ausbildung zur Schneiderin in Stadtoldendorf. 1920 wird auch die Tochter Elfriede geboren.
Sie wird wieder Kontakt zu Felix Wolfsdorf gefunden haben, denn wir hatten gehört, dass beide im Dezember 1923 das Aufgebot bestellen.

Wichtig zu erwähnen ist ein Briefwechsel mit dem Polizeipräsidenten in Braunschweig, der sich wiederum an den Braunschweiger Minister des Inneren wendet.
Worum geht es?    Am 29.6. 39 legt sie Beschwerde ein, weil man sie zwingen will, bis zum 20.August 1939 auszureisen.
Durch die Heirat mit Felix Wolfsdorf ist sie nach der Polizeiverordnung ebenfalls staatenlos. Sie wehrt sich und schreibt:

„Hinzufügen möchte ich noch, dass ich deutsch–stämmig, in Braunschweig geboren und arischer Abstammung bin. Durch meine Heirat bin ich staatenlos geworden. Dies kann unmöglich ein Grund sein, mich in einen fremden Staat zu setzen“.
Sie unterschreibt mit Heil Hitler und setzt dann Margarete Wolfsdorf darunter und unterstreicht: geborene Pramme.

Es folgt eine andauernde Schikane durch die Polizeibehörden. Man legt ihr nahe, sich scheiden zu lassen. Man will eine Vermischung von Ariern und Juden unbedingt verhindern, so der Wortgebrauch der Nationalsozialisten.

Als sie die Scheidungsklage  einreicht, beschließen die Gerichte, dass sie nicht geschieden werden kann, es läge kein Grund vor und sie habe ja gewusst, dass Felix Wolfsdorf Jude sei.

Nach seiner Ermordung  wird sie von der Gestapo aufgefordert, die Beerdigungskosten zu übernehmen. Die Aschenreste in die Erde zu bringen, wird ihr verweigert.

Margarete Wolfsdorf lebte in mit ihrer Schwester in Braunschweig und stirbt 1972.

 

Recherche:  2016 Schüler und Schülerinnen der IGS Franzsches Feld