Das Leben der Kinder

Paula und Alfred Festberg





Kohlmarkt 7, das 2.Haus von rechts, hier wohnte die Familie Festberg bis 1934, Quelle: Stadtarchiv BS, Bildersammlung H XVI
Paula Festberg, Tochter des jüdischen Kaufmanns Nuchim Festberg aus Grabowiec in Russ. Polen, wird am 20.01.1910 in Rubiescow, ebenfalls Russ. Polen, geboren. Von ihrer leiblichen Mutter Ella Hüdis ist nur bekannt, dass sie während des 1. Weltkriegs (1914 – 1918) an Typhus stirbt. Ihr Vater lebt seit 1917 in Braunschweig. Wir nehmen an, dass Paula in ihrem Geburtsort nach dem Tod der Mutter und dem Weggang des Vaters ganz auf sich allein gestellt war bzw. bei Verwandten lebte.

Im Alter von zwölf Jahren zieht sie am 05.12.1922 zu ihrem Vater nach Braunschweig, der seit 1917 dort wohnt und seit diesem Jahr mit der Braunschweigerin Erna-Ella Festberg neu verheiratet ist. Die Wohnung befindet sich am Kohlmarkt 7. Im Jahr vor Paulas Umzug, am 10.07.1921, wird ihr Halbbruder Alfred in Braunschweig geboren.




Meldekartei für Paula Festberg, Quelle: Stadtarchiv Braunschweig, Meldekartei DI12
Da Paula später als ihr Vater nach Braunschweig kommt, wird für sie eine eigene Meldekartei erstellt. Man kann anhand der Kartei erkennen, dass Paula häufig ihren Wohnsitz wechselt. Im Jahre 1924, mit 14 Jahren, zieht sie nach Aurich, 1926 wieder zurück nach Braunschweig (Kohlmarkt 7). Ein Jahr später, am 05.04.1927, ist sie in Oldenburg gemeldet, am 20.10.1927 lebt sie wieder in Braunschweig (Kohlmarkt 7) und am 30.01.1928 zieht sie nach Halberstadt um.

Natürlich fragten wir uns, welche Ursachen dieser häufige Wohnortwechsel gehabt haben mag. Uns ist bekannt, dass zu dieser Zeit viele Menschen nur 8 Jahre die Volksschule besuchen und danach arbeiten müssen. Deshalb denken wir, dass sie in andere Städte zieht, weil sie dort auf bessere Arbeit hofft. Die Arbeiten, die junge Mädchen damals angeboten bekommen, sind häufig die als Küchenhilfe oder Dienstmädchen. Welchen Beruf mag Paula ausgeübt haben?

Es könnte aber auch die Familiensituation sein, die dazu führt, dass Paula immer wieder Braunschweig verlässt. Möglicherweise versteht sie sich nicht mit ihrer Stiefmutter bzw. mit ihrem Stiefbruder.





Der so genannte Warenhaussturm ereignete sich 1933 in Braunschweig. Quelle: R. Bein: „Situation der Juden in Braunschweig“, 1984
Schon 1933, im Jahr der "Machtergreifung" von Hitler, kommt es in Braunschweig zu Überfällen auf Juden und auf deren Eigentum. Beim "Warenhaussturm" vom 11.03.1933 werden im bekannten Braunschweiger Kaufhaus Adolf Frank (heute Kaufhaus Kimmich), das von Juden geführt wird, und bei Karstadt insgesamt 29 Schaufensterscheiben zerschlagen.

Im gleichen Jahr wandert Paula nach Holland aus. Paula ist möglicherweise diejenige in der Familie Festberg, die als Erste die Bedrohung erkennt, die zu Zeiten des Nationalsozialismus auf die jüdischen Einwohner zukommt.

Ein Jahr später, 1934, heiratet sie Mathes Reiter in Amsterdam. Da man auch in Holland vor den Nationalsozialisten nicht mehr sicher sein kann, wandert sie später nach Palästina aus. Leider konnten wir nicht in Erfahrung bringen, wann sie diesen Schritt vollzieht. Auch wissen wir nicht, ob sie von ihrem Mann auf ihrem Weg begleitet wird.

Ihre Adresse Anfang der 60er Jahre des 20. Jh. ist:

Paula Reiter
Jaffastr. 31
Haifa/ Israel.

Ob Paula Reiter geb. Festberg heute noch lebt, konnten wir leider nicht in Erfahrung bringen. Ein Schreiben an das Innenministerium in Israel blieb unbeantwortet.

Ihr Bruder Alfred geht 1937 im Alter von 16 Jahren in ein jüdisches Ausbildungslager nach Berlin. Später wandert er aus und lebt(e)

72 Mc Ilwraith Str.
Melbourne- Princess Hill, Victoria
Australia

Sein weiteres Schicksal ist unbekannt. Auch hier blieben unsere Recherchen ohne Erfolg und ein Brief nach Melbourne blieb ohne Antwort.

Durch ihre Auswanderung ist Paula und Alfred Festberg das Schicksal ihrer Eltern erspart geblieben.


Quellen: R. Bein, Situation der Juden in Braunschweig, 1984
Eigene Recherchen im Stadtarchiv der Stadt Braunschweig
Das Gedenkstättenkonzept in Braunschweig unter folgender Internetadresse: www.braunschweig.de
Der Brockhaus in fünfzehn Bänden, Bd. 15, 1999


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